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Am Puls der Zeit

oder Zukunftstrends im Rückblick

Ein neues Büro bringt es mit sich, dass man das eine oder andere länger nicht Gesehene in die Hand nimmt. Und sei es nur, um es fortzuwerfen. Dabei fand ich die Broschüre einer großen Unternehmensberatung, die in markanten englischen Worten die wichtigsten Trends der kommenden Jahre für das Business prognostizierte und sich immerhin so weit aus dem Fenster lehnte, die Prognosen im Detail zu begründen. Drucklegung: Ende des letzten Jahrtausends. Die Trends hießen: Hypergrowth. Megamergers. Information Sharing. Und Going Online.
Not bad, könnte man denken. Immerhin zwei von vieren.
Spannend fand ich, wie plausibel die Analysen und Begründungen sich heute lesen, sogar wenn man weiß, dass wir statt Hypergrowth diverse Finanzkrisen hatten und dass DaimlerChrysler nicht der Vorbote einer neuen Ära geworden ist. Spannend aber nicht nur in der Rückschau, sondern auch im Hinblick auf aktuelle Trendprognosen und unseren Umgang damit.
Der Nutzen davon, über mögliche Entwicklungen nachzudenken, ist sicher unbestritten. Und dass Vorhersagen, und gerade solche, die einigermaßen weit in die Zukunft reichen, ein schwieriges Unterfangen sind, braucht im Grunde nicht erwähnt zu werden. Doch könnte manch selbsternannter Chefprognostiker sich daran erinnern, dass es da diese Sache gibt, die sich Konjunktiv nennt. Und nicht, weil er gerade so schön im Schwung ist, unmerklich von der Möglichkeit zur Gewissheit wechseln. So muss sich oft der geneigte Leser selbst daran erinnern, dass es so, aber eben auch ganz anders kommen kann.
Als Basis für Geschäftsentscheidungen taugen die Vorhersagen ohnehin selten, weil sie nur bereits beobachtbare Entwicklungen in die Zukunft extrapolieren und beispielsweise deren Nebenwirkungen außer Acht lassen, die dann ihrerseits Gegenbewegungen hervorrufen. Man muss sich eben auch mit der Frage des „Und wenn nicht?“ beschäftigen, bevor man alles auf eine Karte setzt.
Neulich ging beispielsweise durch die Presse, dass in zehn Jahren die ersten Solargroßkraftwerke zu Müll werden und es für sie, vor allem in der zu erwartenden Größenordnung, keine Entsorgungsmöglichkeit gibt. An der ersten Tatsache (Müll) ist nicht zu rütteln. Die zweite aber (keine Entsorgungsmöglichkeit) ist mit ihrer Veröffentlichung nicht mehr wirklich Zukunft, sondern im Grunde schon Geschichte. Wer also nun losstürzt, um dafür Lösungen zu entwickeln, ist auf einem richtigen und wichtigen Weg – aber vermutlich nicht der einzige. Es gilt also, auch die anderen Spieler im Feld zu beobachten. Und es gilt, regelmäßig zu prüfen, ob der Trend ein Trend bleibt.
Manchmal sorgt Trendforschung auch schlicht für Kurzweil. Einfach eine kurze Internetrecherche starten und sich erhellen lassen. Wussten Sie beispielsweise schon, dass es im Jahr 2020 keine Haustürschlüssel mehr geben wird?
Mein Favorit unter den derzeit vorhergesagten „Trends“ der kommenden Dekade für Deutschland: „Die Alt68er gehen in Rente.“ Da wollte offenbar jemand bei der Wahrscheinlichkeit seiner Vorhersage ganz auf Nummer sicher gehen.