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Selbstüberschätzung

Neulich unterhielt ich mich mit einem Spezialisten für Risikomanagement im Finanzsektor. Wie es zuweilen so geht, kamen wir auf die aktuelle Finanzkrise zu sprechen. Und da bekam ich eine recht ungewöhnliche Meinung zu hören. Die Bankmanager gerade der staatlichen Banken, so lautete sie, können nichts für die Probleme ihrer Banken (und ihrer Anleger). Denn erstens hätten die Besitzer der Banken, ergo: der Staat, sie ja nicht gestoppt, und das wäre doch dessen Pflicht gewesen, und zweitens sei es eben so, dass die Landesbanken kein ausreichend qualifiziertes Personal bekämen, aber auch in dem Spiel mitspielen müssten wie die Großbanken, obwohl sie dazu eigentlich nicht fähig seien. Das sei eben so.
Okay…
Ich stelle mir vor. Ein Flugzeug stürzt ab. Und die Fluggesellschaft verkündet, das täte ihr wohl leid, aber bessere Piloten würde sie halt nicht bekommen, um mitzuhalten müssen man beide Augen zudrücken und da sei mit Schwund eben zu rechnen.
Ich stelle mir vor. Ein Klinikchef, der nach der verkorksten Herztransplantation seelenruhig erklärt, in so ein Kleinstadtkrankenhaus seien eben keine Koryphäen zu locken, da habe man sein Bestes mit dem vorhandenen Personal versucht. Dass mit einem so komplizierten und riskanten Eingriff keine Erfahrung vorgelegen habe, sei ja nicht zu ändern gewesen.
Ich stelle mir vor. Den Atomkraftwerkbetreiber, der verkündet, wegen des Ingenieurmangels habe man eben ohne Fachleute weitergearbeitet, und das mit dem Austritt der Wolke wäre da nicht ganz zu vermeiden gewesen. Sorry.
Nein, das ist – für mich – unvorstellbar. Und für die seriösen Fluggesellschaften, Krankenhäuser und AKW-Betreiber doch wohl auch. Wer etwas nicht kann, der soll bitte die Finger davon lassen.
Nun könnte man einwenden, bei den Banken sei es ja schließlich nicht um Leben und Tod gegangen. Nein, nicht direkt. Aber auch um die Lebensverhältnisse vieler Menschen, um Altersversorgung, um die geplünderten Kassen des Staates, der so viel Dringendes vorgehabt hätte. Und ganz am Ende ist es gleichgültig, ob jemand an einer OP stirbt oder ohne sie, weil der Eingriff für ihn nicht bezahlbar ist.
Zu einem qualifizierten Risikomanagement gehört als zentraler Punkt die ehrliche und realistische Betrachtung der eigenen Fähigkeiten. Und ich persönlich finde, man kann jemandem auch Selbstüberschätzung durchaus zum Vorwurf machen.