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Wirtschaft als Risikogemeinschaft

Tags dieses Artikels:
Ethik, Risikomanagement

Neulich war ich auf einer Tagung, die unter anderem den obenstehenden Titel trug. Das kam dann aber in der Tagung kaum vor, sondern mehr die Finanzkrise. Wie das heute so geht.
Dabei ist die Frage eine ganz interessante.
Und zwar möchte nahezu jeder gern die Wohltaten der modernen Zivilisation für sich nutzen. Medikamente, Zahnpasta, Edelstahltöpfe, bunte Kleidung, Satellitenfernsehen, Halogenstrahler und so weiter und so weiter. Die Fabriken und Kraftwerke aber, die zu deren Erzeugung nun einmal notwendig sind, die möchte niemand. Ähnlich ist es mit den Banken. Jeder möchte gern hohe Zinsen für sein Geld, hält aber leicht diejenigen, die diese Zinsen erwirtschaften, für eine Art Ungeheuer. Denn es gibt etwas, das kaum jemand für sich bejahen würde: Das Tragen der mit der Erfüllung seiner Bedürfnisse verbundenen Risiken.
Selbstverständlich sollen Chemieanlagen und Kraftwerke oder Wertpapiere optimal abgesichert sein. Wenn dann trotzdem etwas passiert, dann stehen aber alle wie ein Mann auf, zeigen mit dem Finger auf die in ihren Augen allein Verantwortlichen, und es wird die Frage laut, wozu es das alles überhaupt gibt. Was dabei gern vergessen wird, ist die Antwort darauf, nämlich, dass es zum Beispiel so viele Kraftwerke gibt, weil so viele in so kuschelig warmen, gemütlich beleuchteten Wohnungen und Häusern leben, Waschmaschine und Geschirrspüler gleichzeitig laufen lassen und den Fernseher auf Standby stehen haben. Und dass Renditedruck und überhöhte Zinsversprechen letztlich daraus entspringen, dass jeder Einzelne sich nach der für ihn persönlich besten Möglichkeit der Geldanlage umsieht.
Im Risikomanagement gilt, dass kein Nutzen ohne Risiko daherkommt. In der Medizin sagt man „Keine Wirkung ohne Nebenwirkung“. Wenn wir etwas kaufen, dann gehört uns dafür gleichzeitig ein winziges Stück Atommüllendlager. Ob wir wollen oder nicht. Und wir gehen dieses Risiko nicht nur für uns ein, sondern für die anderen Betroffenen gleich mit.
Die wirklich schwierige Frage ist aber: Wenn etwas schief geht, wer zahlt dann die Zeche? Im Augenblick ist das mehr dem Zufall überlassen. Wir fahren Auto, und den Polynesiern versinken die Inseln im Meer. Eine Handvoll Banker wird steinreich, und zahllose Menschen verlieren ihre Pensionen. Die Lasten der Atomenergie übertragen wir auf kommende Generationen.
Wirtschaft ist mit Risiken verbunden – unabdingbar. Nur wer diese Risiken tragen soll, ist oft unklar. Der Einzelne kann mit seinem Konsumverhalten schon etwas dazu beitragen, die Risiken zu reduzieren. Aber vieles wird davon abhängen, welche Antworten die Weltgemeinschaft in Zukunft auf den Umgang mit diesen Risiken finden wird.