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Das Prometheus-Syndrom

Tags dieses Artikels:
Coaching, Führung, Paradigmenwechsel

Mitarbeiterförderung gehört zu den Dingen, denen sich die meisten Führungskräfte gern verschreiben. Dabei ist vielen nicht klar genug, wie schwierig es sein kann, jemanden auf seinem Weg zu unterstützen. Und damit sind jetzt keineswegs kommunikative Fähigkeiten, Erfahrung im Coaching und dergleichen gemeint.
In seinem Gedicht „Prometheus“ lässt Johann Wolfgang von Goethe den Titelhelden seinen Zorn auf Zeus herausschreien, weil der ihn an einen Felsen gekettet hat und… aber ich will hier ja nicht den Prometheus nacherzählen. Jedenfalls enthält das Opus die folgenden Zeilen:

Menschen schaffen nach meinem Bilde.
Ein Geschlecht, das mir gleich sei!

Mit Betonung auf meinem und mir.
Nach diesen Zeilen habe ich für mich ein Phänomen als Prometheus-Syndrom bezeichnet, nämlich die Tatsache, dass sich kaum jemand finden lässt, der einem Schüler oder Mitarbeiter auf einen Weg zu helfen bereit ist, der dem eigenen nicht gleicht. Vielmehr können sich die meisten Chefs am allerbesten vorstellen, wie der Betreffende genau das gleiche wird wie sie selbst. Und in die Richtung geben sie dann auch Ratschläge und Empfehlungen, unterstützen – und sind zufrieden, wenn es gut funktioniert.
So mancher begabte Mitarbeiter, der dann für sich selbst herausfindet, dass etwas anderes ihm mehr liegt, und der demzufolge einen anderen Weg einschlagen will, sieht sich dann plötzlich mit der Tatsache konfrontiert, dass er dadurch unabsichtlich den Förderer und Mentor beleidigt hat. Das ist schade für beide Seiten.
Wer es als Führungskraft fertigbringt, jemanden zu fördern, der ihm selbst nicht ähnlich ist, und in eine Richtung, die er selbst niemals eingeschlagen hätte, die aber sehr gut zu dem anderen passt, dem ist dabei der Sprung über den eigenen Schatten gelungen.