Neue Säue
Nach einem langen Projekt bin ich wieder an meinem Schreibtisch angelangt und lese und denke mich durch die Fachzeitschriften, Newsletter und Blogbeiträge, die in den vergangenen Monaten liegen geblieben sind. Natürlich habe ich eine Menge verpasst. Die längst überfällige Hochzeit von Agilität und Achtsamkeit zum Beispiel, ihre anschließende Trennung und auch das beginnende Absinken von „agil“ aus dem Hype in den Bodensatz wirksamer, aber sattsam bekannter und damit irgendwie uncooler Methoden.
Das ist einer der Flüche des Älterwerdens, auf den man ebenso wenig gefasst ist wie darauf, dass die Zeit tatsächlich gefühlt immer rascher vergeht: So leicht begeistert einen nichts mehr, weil man einfach schon zu viel gesehen hat. Die Sonne geht auf, tja, und dann geht sie eben wieder unter, na und?!
Besonders schräg wirkt es, wenn gerade eine der Zeitschriften, die sozusagen den Schaum auf der jeweils aktuellen Welle beiträgt, einen Artikel veröffentlicht darüber, wie man es schafft, sich nicht immer von der neuesten Sau durchs Dorf treiben zu lassen.
Parallel lese ich ein Buch über eine neue Moderationsmethode. Natürlich gibt es das obligatorische Kapitel darüber, was denn so neu sei an dieser Methode (komischerweise aber keines mit einer übersichtlichen Beschreibung derselben). Ich fasse zusammen: Der Moderator nimmt sich ganz zurück. Er regt an, hört zu, fragt nach und notiert, aber er äußert keine eigene Meinung und greift nur ein, wenn jemand einfach nicht aufhört zu reden. O wow! Außerdem – auch das ist neu – wird jedem, der etwas sagen möchte, bis zum Ende zugehört und alles notiert – außer natürlich, der jemand hört einfach nicht auf zu reden, schon klar.
Nun komme ich ja ursprünglich aus der Welt der Wissenschaft. Und da ist es Standard und unumgänglich, dass man jede neue Arbeit damit beginnt, genau zu recherchieren und sicherzustellen, dass das eigene Forschungsthema und die eigenen Ergebnisse wirklich neu sind und sie nicht schon jemand vor Jahren im Journal of Wasauchimmer veröffentlicht hat.
Und vielleicht, ganz vielleicht, würde dann die vielzitierte Lehmschicht im mittleren Management – meist ja Personen, die schon ein paar Wellen abgeritten haben und ein paar Säue durchs Dorf haben laufen sehen – weniger mit den Augen rollen und eher bereit sein mitzumachen.