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Meins!

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Paradigmenwechsel, Selbsterfahrung
Gestern haben wir eine wahre Heldentat vollbracht: Wir haben unsere Schraubdeckelgläser aussortiert. Das klingt für Sie nach einer Kleinigkeit? Man muss nur genug Marmeladengläser haben und die Kartons damit strategisch in allen verfügbaren Stauräumen verteilen, und schon hat man lange Freude daran. Interessant dabei ist aber nicht die organisatorische Lösung des Problems, sondern die Erfahrung, die wir beim Aufräumen gemacht haben.
Es wird ja immer behauptet, dass jeder Gegenstand, den wir erwerben, ab sofort als Teil unseres Besitzes unseren Schutz genießt. An sich ein nützlicher Vorgang, der ja schließlich dazu führt, dass wir unsere Lebenszeit und Energie nicht sinnlos in die Herstellung oder den Erwerb von Dingen investieren, die wir anschließend verkommen lassen. Nützlich, wenn man besitzt, was man braucht.
Und da fangen die Probleme an, denn „brauchen“ ist relativ. Wir alle bekommen andauernd Dinge sozusagen durch die Hintertür, die an sich praktisch und nützlich sind, aber eben nicht wirklich oder nicht in dieser Anzahl und Menge. Beispiel: Sie erwerben Gewürzgurken. Die kommen mit einem praktischen Schraubdeckelglas, das man, wenn die Gurken verzehrt sind, abwaschen und für Apfelmus verwenden kann oder für selbstgemachte Brühe oder für Farbreste, für die Sammlung geradegeklopfter Nägel oder Anderes. Flugs wird es abgewaschen und, wenn es zu den ersten seiner Art gehört, einer der eben beschriebenen Verwendungen zugeführt. Ansonsten wandert es in den Karton mit praktischen Gurkengläsern und harrt dort mit seinen Kollegen der späteren Verwendung.
Irgendwann kommt unweigerlich der Zeitpunkt an dem die erforderliche Anzahl an Sicherheitshalberaufbewahrgläsern überschritten ist. Sogar wenn man plötzlich anfangen sollte, Kimchi und Mixed Pickles selbst zu machen und die Erzeugnisse des besten Erntejahres in der Geschichte der Menschheit in Marmeladen-, Kompott- und Chutneygläser zu füllen (Hand aufs Herz: Wieviel Marmelade wird man übers Jahr essen?), braucht man nur eine begrenzte Anzahl. Und vielleicht möchte man ja noch etwas Anderes aufbewahren als Gläser und braucht auch dafür Platz.
Und nun geht es ans Aussortieren. Jedes Glas wird einzeln begutachtet (schöne Form, schöner Deckel, schöne Größe), und man spürt förmlich, wie eine innere Barriere zu überwinden ist. MEINS! flüstert es. Das Unterbewusste erfindet allerlei vernünftig klingende Ausreden, die von „Das ist so schön, darin kann man mal was Selbstgemachtes Verschenken“ (klar!) über „Das ist eine gute Größe für Reste“ (ah ja?) bis hin zum Lieblingsmarmeladenglas mit Erinnerungsfaktor (genau!) reichen.
Irgendwann ist es geschafft und man selbst ein wenig mitgenommen. Nicht von der Arbeit, die kaum der Rede wert ist, sondern vom Aufgeben des Besitzstatus für jedes einzelne Glas. Das Gute: Ist das Wegwerfen erst in die Tat umgesetzt und die Gläser zum Recycling gegeben, wird spontan die in ihnen gebundene Besitzenergie wieder frei. Das kann soviel sein, dass sie glatt für ein neues Projekt reicht.
Vielleicht bewahren Sie selbst keine Gläser auf, aber dafür etwas Anderes. Dann können Sie daran einmal ausprobieren, wieviel psychische Energie in diesem überzähligen Besitz gebunden ist.