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Heinzelmännchen

Dass es in Köln vor längerer Zeit einmal so bequem war, weil die dort ihre Heinzelmännchen hatten, das wissen die meisten. Der Satz „Und eh ein Faulpelz noch erwacht, war all sein Tagewerk bereits gemacht“ mag, als die Faulheit gerade als Todsünde galt, abschreckende Wirkung gehabt haben – heute, in unseren Burnout-schwangeren Zeiten, entlockt uns das eher einen sehnsüchtigen Stoßseufzer. Das wäre schön!
Nun gibt es solche Heinzelmännchen auch heute noch. Natürlich treten sie nicht in Scharen auf, aber man kann sie in beinahe jedem Kollegenkreis entdecken. Sie sind beliebte Mitarbeiter, denn sie sind sich für keine Aufgabe zu schade und sorgen dafür, dass der Laden läuft, und das auch noch gern im Hintergrund. Der Ruhm für die erreichten Ziele und die Erfolgreichen Projekte bleibt – wie dazumal in Köln – den anderen.
Auf diese Heinzelmännchen bauen aber auch einige weniger schöne Verhaltensweisen. Dazu gehört beispielsweise der „Ringelmann-Effekt des sozialen Faulenzens“. Er besagt, dass ein Team nicht etwa mehr leistet als die Summe der Einzelmitglieder, wie Team-Fans gern behaupten, oder auch nur genauso viel, sondern weniger. Das liegt laut Ringelmann daran, dass sich im Mittel jedes Teammitglied auf die Anstrengung der anderen verlässt und sich ein wenig (oder auch ein wenig mehr) hängen lässt, als wenn er allein vor einer Aufgabe steht und damit auch allein für das Ergebnis verantwortlich ist. Anders ausgedrückt kennen Sie das vielleicht als „TEAM = Toll, Ein Anderer Macht’s“. Das soll nun nicht heißen, dass Teamarbeit grundsätzlich vermieden werden sollte. Das geht schon deshalb nicht, weil viele Aufgaben sich eben nur im Zusammenwirken verschiedener Kenntnisse und Erfahrungen bewältigen lassen. Wer jedoch Teams führt (oder in ihnen arbeitet), kann ein waches Auge für dieses kaum merkliche Nachlassen haben – und sei es nur, damit er die Heinzelmännchen der Gruppe, die den Ringelmann-Effekt nicht zu kennen scheinen, vor den sonst unweigerlich drohenden Überlastung schützen kann. Die bleiben nämlich sonst zur Not bis zum Sonnenaufgang, um heimlich, still und leise die Arbeit der anderen zu erledigen.
Es gibt aber auch eine Sache, auf die man in Bezug auf Heinzelmännchen ganz verzichten sollte. Falls Sie eines im Team haben, freuen Sie sich einfach in aller Stille. Nichts mögen die echten Heinzelmännchen so wenig wie Beachtung. Sie also für ein öffentliches Lob ins Rampenlicht zu holen, ist gut gemeint, aber kontraproduktiv. Auch herausfinden zu wollen, wie die Heinzelmännchen das machen, damit dann die Nicht-Heinzelmännchen von ihnen lernen können, ist zu viel der Beachtung. Wenn Sie einmal an die Ihnen bekannten Heinzelmännchen denken, werden Sie das vielleicht nachvollziehen können. Und bei zu viel Interesse oder Neugier für das Wirken dieser Personen könnte es ihnen so gehen wie der Schneidersfrau, die Erbsen auf die Treppe streut, um die Heinzelmännchen zu Gesicht zu bekommen, und dann auch noch das Licht anmacht: Husch husch husch husch! – Verschwinden all.
Wer das Gedicht noch einmal nachlesen möchte, findet es hier.