Glück gehabt
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Coaching, Paradigmenwechsel, Selbsterfahrung
Unter gern als Vordenkern bezeichneten Autoren scheint es gerade in zu sein, anderen zu erklären, was einen so erfolgreich gemacht hat.
Das hat ungefähr so viel inhaltlichen Gehalt wie, einen Hundertjährigen zu fragen, wie er es geschafft hat, so alt zu werden. Sicher wird er eine Erklärung nennen. Joghurt. Gemüse. Jeden Tag ein Quantum Gin. Nur darf die behauptete Kausalität heftig bezweifelt werden.
Unterschlagen wird nämlich in den meisten Geschichten, dass uns unser Leben zwar in der Rückschau folgerichtig erscheinen mag, dass es aber viel weniger Ergebnis unserer Entscheidungen als von Zufällen ist. Der Hundertjährige ist im Wesentlichen so alt, weil er noch nicht gestorben ist. Nicht an Tuberkulose und Spanischer Grippe (ja, die ist noch keine hundert Jahre her und hätte ihn erwischen können), nicht an Krebs, nicht an Krieg und Verfolgung, er wurde auch nicht vom Auto überfahren. Und so weiter.
Nun durfte ich heute lesen, dass ein berühmter Manager glaubt, er sei so erfolgreich, weil sein Vater ihm damals den guten Rat gegeben habe, er könne im Leben erreichen, was er wolle, wenn er sich nur genügend anstrengt. Daraus, dass er das glaubt, schließe ich, dass er sich angestrengt hat. Daraus schließe ich aber nicht, dass stimmt, was sein Vater sagt.
Denn erstens gibt es sicher viele Menschen, die sich sehr anstrengen und deren Traum doch nie wahr wird. Weil sie nicht gut genug sind, aller Anstrengung zum Trotz. Weil ihnen das Schicksal Steine in den Weg legt. Weil sie nicht das Glück hatten, zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein. Und zweitens kann man sich ja mal fragen, was denn gewesen wäre, wenn der besagte erfolgreiche Herr nicht Topmanager hätte werden wollen, sondern beispielsweise Opernsänger. Ohne das entsprechende Talent kann man da ganz schön lange üben und darf immer noch nicht in Bayreuth den Lohengrin singen.
Dass große Erfolge auf Anstrengung beruhen, steht, glaube ich, außer Frage. Aber zu behaupten, er beruhe ausschließlich auf Anstrengung, ist zynisch. All denen gegenüber, die es nicht oder nicht so weit geschafft haben und denen man damit quasi sagt: Selbst schuld! Am Ende läuft es immer auf zweierlei hinaus: Man hat sich angestrengt. Und man hat das eine oder andere Mal im Leben auch schlicht Glück gehabt.