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Zeitreisen

Neulich fuhr ich mit der Bahn. Nach Potsdam. Nun erwarten Sie vielleicht zu lesen, dass auf dieser Reise einiges schiefgegangen ist, aber das war gar nicht der Fall, sondern es hat alles so prima funktioniert, wie man sich Bahnfahren nur wünschen kann.
Zuerst hatte ich mich sehr gefreut. Beim Suchen auf bahn.de entdeckte ich nämlich eine nette Verbindung mit Fahrten in „kleinen Zügen“, Regionalexpress und Co., Umsteigen auf kleinen Bahnhöfen. Quasi reisen wie vor 25 Jahren. Und sage und schreibe einer Stunde Zeitersparnis im Vergleich zur ICE-haltigen Verbindung. Toll. Das habe ich gleich gebucht. Und am Tag der Reise bin ich dann voller Freude und mit Picknick (da begrüßt einen ja niemand im Bordrestaurant) auf die Strecke gegangen.
Und dann das: War mir langweilig!
Nun war das ein seltsames Phänomen. Denn erstens bin ich geübter Weit- und Vielbahnfahrer und hatte auch noch einen spannenden Roman dabei, und zweitens bot die Strecke ja reichlich Unterbrechungen und „was zum Gucken“. Aber genau das war offenbar das Problem. Vielleicht kennen Sie das selbst: Auf einer längeren ICE-Strecke gerät man in eine Art mentalen Stand-by-Modus. Man liest zwar oder macht sich ein paar Gedanken oder schreibt ein bisschen was am Laptop, und der eine oder andere telefoniert auch, aber gleichzeitig fließt die Zeit vorbei anstatt zu vergehen. Im Regionalexpress dagegen spürt man jede Minute, weil die Aufmerksamkeit klar auf die Umgebung gerichtet bleibt.
Wie so oft war der Schlüssel die Erwartungshaltung. Auf der Rückfahrt wusste ich ja, was mich erwartet, und habe mich bewusst darauf eingelassen (und nicht umgebucht). Und das war dann genau so schön und gemütlich, wie ich mir die Reise ursprünglich ausgemalt hatte. Zen im Zug, sozusagen.
Und am Ende ist möglicherweise genau der Stand-by-Modus, den wir vordergründig als angenehm empfinden, weil er die Zeit verkürzt, das eigentliche Problem. Und der Grund dafür, warum die Zeit umso schneller vergeht, je älter man wird. Weil man über die Jahre vielleicht zu gut gelernt hat, ins Vorbeifließenlassen umzuschalten.