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Lesen – Erkenne dich selbst

Manchmal ist die Zeit reif für bestimmte Gedanken. Vielleicht ist es also kein Zufall, dass uns jüngst einige Bücher erst neugierig und dann beim Lesen recht nachdenklich gemacht haben, die die Bildung des eigenen Selbst zum Thema haben. Hier kreuzen sich Diskussionen wie die um Schulsysteme und darum, was denn „Bildung“ eigentlich sei, um die Finanz- und die Eurokrise oder um die Burnout-Welle. Sie treffen sich in der Suche nach dem Sinn unserer Geschäftigkeit mit Gedanken, die so alt sind wie unsere abendländische Kultur.
Mal eine ganz andere Form erholsamer Urlaubslektüre.

Ina Schmidt
Alles in bester Ordnung
Bücher, Blogs und andere Ratgeber zum Thema Aufräumen sind Legion. Der Untertitel dieses Buches, geschrieben von einer Philosophin, lautet jedoch: Oder wie man lernt, das Chaos zu lieben. Schmidt bürstet hier unsere rigiden Vorstellungen von Ordnung gegen den Strich und bietet einen Leitfaden, an dem man sich auf dem Weg in eine dem eigenen Selbst angemessene Ordnung entlang denken kann. Auch Ordnung soll schließlich im tiefsten Sinn des Wortes vor allem eines: Sinn machen.

Wilhelm Schmid
Mit sich selbst befreundet sein
Beim Lesen dieses Buches geht einem auf, wie streng man mit sich ist und wie viel Beschränkung man sich abverlangt. Im Gegensatz zu der heute üblichen – ich nenne das mal: „zielorientierten Selbstkasteiung“ geht es hier um die wohlwollende Sorge für sich selbst, die Sorge um Körper, Geist und Seele und deren Pflege und Bildung. Dabei hebt sich das Buch vom Sinnsuche-Mainstream wohltuend dadurch ab, dass hier ein Philosoph schreibt, der auch Themen wie Wellness nicht etwa ausspart, sondern weit jenseits der üblichen Betrachtungen die philosophischen Kernpunkte herausarbeitet und dadurch gedanklich neue Türen öffnet. Das Buch ist in angenehm kurze – und erstaunlich leicht lesbare – Kapitel gegliedert, so dass es sich auch Tag für Tag in kleinen Schritten genießen lässt.

Peter Bieri
Wie wollen wir leben?
Deutlich knackiger zu lesen ist diese Sammlung von philosophischen Vorlesungstexten, und sie konfrontiert den Leser damit, dass er zwar selbstbestimmt leben möchte, die Anstrengung wahrer Selbstbestimmung, die bewusste Auseinandersetzung mit dem eigenen Denken, Fühlen und Wollen jedoch scheut. Andere bestimmen über uns – weil wir das pseudo-zähneknirschend zulassen. Nicht nur Protagonist, sondern Autor des eigenen Lebens zu sein, erfordert als ersten Schritt die Selbsterkenntnis, die ja sprichwörtlich „der erste Schritt zur Besserung“ ist und, wie Bieri es ausdrückt, kein philosophischer Luxus. Aber danach kommen eben noch weitere Schritte, die ebenfalls gegangen werden wollen. Das rüttelt durchaus an der guten Meinung, die man bis dahin über sich selbst hatte. Ganz klar ein toller Text, aber keine Wohlfühllektüre.