+49 (0) 4342.7286054

Karpfen

Tags dieses Artikels:
Ethik, Fisch, Kommunikation, Paradigmenwechsel

In ihrem letzten Newsletter von unternehmenskick.de hatte Gitte Härter zu einer Blogparade aufgerufen. Thema „Desillusioniert in der Selbständigkeit“. Gern hätte ich mich beteiligt, aber mir fiel zu dem Thema absolut nichts ein. Dafür aber wurde das zu einer Gelegenheit, einmal über Enttäuschungen und Desillusionierung im Allgemeinen und Speziellen nachzudenken. Und da kann ich nun sagen, eine echt große Enttäuschung war (und ist) Karpfen. Nein, nicht ein Buch oder ein Film oder so, sondern das Fischgericht.
Ich weiß, dass ich damit bei dem einen oder anderen heftigen Protest auslöse. Denn: An Karpfen scheiden sich die Geister.
Über die Jahre ist er damit für mich zu einem Sinnbild dafür geworden, dass sich über Geschmack tatsächlich nicht zu streiten lohnt. Denn so sehr mir auch andere von den Vorzügen von Karpfen vorschwärmen mögen – interessanterweise nennen die meisten meiner Bekannten als Hauptargument dafür nicht etwa den Geschmack, sondern dass die Biester keine Gräten haben, jedenfalls keine, die in puncto Probleme beim Fischessen der Rede wert wären – , das alles ist vergebens, denn es wird mich nie und nie und nie davon überzeugen, dass Karpfen lecker ist. Andersherum kann ich natürlich meiner Meinung Ausdruck geben, der ganz persönlichen, dass Karpfen erhebliche geschmackliche Risiken (Stichwort Moder) berge und konsistenzliche (Fett) Nachteile habe, die einen Verzehr nur dann erlauben, wenn einem alle anderen Lebensmittel ausgegangen sind. Aber wird das einen echten Karpfenfan schrecken? Nein, natürlich nicht, und warum sollte es auch??
Hier gilt also, dem anderen einfach seine Meinung und seinen Geschmack zu lassen und zu akzeptieren, vielleicht sich sogar darüber zu freuen, wie groß die Bandbreite der persönlichen Vorlieben und Ansichten des Menschen sein kann. Schließlich möchte man selbst ja gern, dass andere einem mit der gleichen Toleranz begegnen.
Und ebenso gilt, dass eine Grenze dort erreicht ist, wo man andere durch seine persönlichen Vorlieben beeinträchtigt. Nun sind zu meinem Glück die Karpfenliebhaber in unserer Familie seit Jahren in der Unterzahl, aber ich erinnere mich mit Grausen der Weihnachtsfeste, an denen mein nicht nur Karpfen essender, sondern auch Karpfen angelnder Großonkel für das Weihnachtsessen sorgte.
Karpfen ist also auch Sinnbild dafür, dass immer dann eine Einigung notwendig ist, wenn die jeweiligen Vorlieben nicht zu vereinbaren sind. Kinder kann man zwar zwingen, Karpfen zu essen, aber man kann eben nicht einmal sie zwingen, Karpfen zu mögen. Wer also seine eigenen Wünsche per Autorität oder über einen anderen Machtmechanismus durchsetzt, sollte sich klarmachen, dass er sich selbst auf Kosten anderer eine Freude bereitet. Unbedingt fallenlassen sollte man die Illusion, man tue, wenn man seinen Willen durchsetzt, dem anderen etwas Gutes – denn der bekäme ja, was man selbst doch auch so gern mag.
Es gilt also einmal mehr das „Lass uns drüber reden“. Wie die Einigung dann aussieht, bleibt den Beteiligten überlassen.