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Füllgewicht

Tags dieses Artikels:
Kommunikation, Kunden, Unternehmensethik

Einmal im Jahr laden wir unsere norddeutschen Freunde, die ebenfalls in der Frankfurter Grünkohl-Diaspora leben, zum Grünkohlessen ein. Damit alle sicher satt werden, haben wir in unser Kochbuch einen Zettel eingelegt, auf dem steht, was man erfahrungsgemäß für die vielen Gäste so einkaufen muss. Vergisst man ja doch übers Jahr. Zwei Kilo Kassler oder doch zweieinhalb? Und dort steht unter anderem: „6 Pakete Grünkohl à 600 g“. Die 6 ist eine durchgestrichene ehemalige 5. Und schon damals beim Durchstreichen haben wir uns gewundert, warum – obwohl wir doch alle schon feststellen, dass man tatsächlich „im Alter nicht mehr so viel essen kann“ – auf einmal der Kohl nicht mehr reicht.
Auch in diesem Jahr haben wir wieder die 6 Pakete erworben. Und standen dann beide zweifelnd und ratlos vor dem großen Topf, den wir für derartige Gelegenheiten besitzen. Weit nach vorn mussten wir uns beugen, um das schmale Häuflein Kohl auf dem Boden zu erspähen. Irgendwie… also, irgendwie… war doch der Topf früher voller gewesen. Oder? Oder bildeten wir uns das nur ein??
Nun sind wir Naturwissenschaftler und neigen dazu, derartigen Phänomenen systematisch nachzugehen. Erstens wurde zusätzlicher Grünkohl erworben. Mit der bestehenden Menge konnten wir ohnehin unmöglich antreten. Anschließend wurden die gefrorenen Inhalte verwogen (600g, ziemlich genau) und einzeln abgetaut. Und?? Da befinden sich doch in einer 600 g-Packung sage und schreibe 350 g Grünkohl. Der Rest ist Wasser. Okay, grünes Wasser, zugestanden. Aber Wasser.
Rechtlich gesehen ist das vermutlich auch noch in Ordnung. Denn irgendwo vage neben den dick auf die Packung gedruckten 600 g steht in Mikroschrift das Wörtchen „Füllgewicht“. Als Verbraucher muss man seine Augen heute halt überall haben.
Und trotzdem fällt mir dazu die gute alte Kaufmannsehre ein. Aber die ist – scheint’s – bei dem einen oder anderen Kaufmann aus der Mode gekommen.