Haben oder Nutzen
Tags dieses Artikels:
Entschleunigung, Nachhaltigkeit, Paradigmenwechsel, Selbsterfahrung, Werte, Zeit
Das Wort Konsum hat heute keinen guten Klang. Vorbei die Zeiten, als sich sogar Geschäfte mit diesem Namenszusatz schmückten. Der besorgte Blick auf das Verhalten der Verbraucher und die beständig auf uns einströmende Werbung lassen den Konsumterror gefühlte Wirklichkeit werden. Wir kaufen ein Auto, auch wenn das „alte“ noch gut fährt, neue Kleidung, weil sich die Mode ändert, um nur zwei Beispiele zu nennen.
Dabei sind wir längst einen Schritt weiter. Wie Hartmut Rosa im vergangenen Jahr in der Zeit feststellte, kostet echter Konsum im Sinne von Konsumieren Zeit, nämlich für Gebrauch oder Verbrauch der erworbenen Produkte. So viel Zeit haben wir heute gar nicht mehr, und vor allem hat die Wirtschaft schon längst keine Zeit mehr, geduldig abzuwarten, bis wir das nächste Mal etwas wirklich brauchen, um es dann nach dem Kauf auch sogleich zu nutzen. Wir kaufen also oft nicht mehr Dinge, die wir zwar nicht wirklich benötigen, die wir aber wenigstens noch verwenden, sondern solche, die erst noch auf den echten Bedarf warten, der vielleicht nie kommt. Wir sind also längst vom Konsumterror zum Kaufterror gelangt.
Nicht ganz einfach ist der Blick auf das eigene Kaufverhalten. Wenn Sie einmal für eine Weile eingehend betrachten, wo für Sie selbst das Kaufen und Haben an die Stelle des Nutzens getreten ist, werden Sie möglicherweise erstaunt sein.
Im Lean Management zählt „Warten“ zu den „7 Arten von Verschwendung“. Das leuchtet zunächst nicht immer ein, denn – so die Argumentation – man könne in der Zwischenzeit ja etwas Anderes tun. Die Zeit sei also genutzt. Das Problem dabei besteht darin, dass auch das, was man gerade nicht tun kann, aber tun soll oder eben auch tun möchte, unsere innere Aufmerksamkeit und damit psychische Energie bindet. Das lässt sich auch auf all die Dinge übertragen, die man in der Hoffnung kauft, ihnen eines Tages (und hoffentlich bald) angenehme Stunden abzugewinnen. Stapelweise Bücher, die man nie liest, ungewöhnliche Zutaten, aus denen man nie etwas kochen wird, oder Sportgeräte, die im Keller verstauben. Die Vereinfachung des eigenen Lebens und der daraus resultierende Zeitgewinn beginnen eben nicht erst beim Entrümpeln, sondern direkt beim Kaufen.
Wenn Sie Lust haben, können Sie ja in den nächsten Tagen einmal alles, was Sie gern besitzen möchten, dagegen abwägen, wie viel Zeit wohl a) die Anschaffung und vor allem b) die Nutzung benötigen werden. Viele Käufe erledigen sich so von selbst.