+49 (0) 4342.7286054

Godot

Warten kann ja etwas sehr Schönes sein. Wenn es zum Beispiel mit Vorfreude verbunden ist. Da sitzt man im Theater oder in der Oper, unterhält sich noch mit der Begleitung oder dem Sitznachbarn, knistert ein letztes Mal mit dem Lakritztütchen. Und wartet. Darauf, dass das Licht ausgeht, sich der Vorhang hebt und die Vorstellung beginnt. Ich habe bislang noch niemanden von Ungeduld oder Ärger in dieser Situation berichten hören.
Manchmal gehört Warten auch einfach dazu. Beim Busfahren zum Beispiel. Da steht man dann an der Haltestelle. Und wartet. Mal kürzer und fahrplanmäßig, mal länger. Der geübte ÖPNV-Benutzer erträgt das mit meditativer Ruhe. Klar, man könnte sich auch etwas Schöneres vorstellen, aber so what.
Leider gibt es da noch diese andere Sorte Warten. Zum Beispiel auf Leute, die einen Anruf angekündigt haben, womöglich noch mit dem Hinweis, sie müssten einen gaaanz dringend sprechen. Das kennen Sie vielleicht. Und dann sitzt man also am Schreibtisch, bewacht das Telefon. Und wartet. Meldet man sich selbst, hört man, jetzt gerade würde es echt schlecht reinpassen, aber der Betreffende werde sich garantiert heute noch melden. Gegebenenfalls auch erst am Abend. Also wartet man weiter, bis das Ganze einen surrealen Touch bekommt, oder man gibt auf.
Das Warten lassen kann mehrere Gründe haben, aber der heute vermutlich häufigste ist Überlastung. Viele haben einfach unüberschaubar viel zu tun. Ganze Abteilungen wurden durch Einzelkämpfer ersetzt. Da weiß man dann wieder gar nicht, welche Arbeit man zuerst liegen lassen soll, und so ein einzelner Anruf gerät leicht unter die Räder.
Wenn ich eine Kennzahl für ein Unternehmen vorschlagen dürfte zur Prüfung, wann die Belastungsgrenze der Mitarbeiter erreicht ist, würde ich eine aus den aufsummierten wöchentlichen Verspätungen bei Meetings und verspäteten und nicht erfolgten Rückrufen und Rückantworten – bei E-Mails gibt es das Phänomen ebenfalls – entwickeln.
Wie ich gerade auf dieses Thema gekommen bin? Ach, da dürfen Sie raten…