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Gleich ist nicht gleich gerecht

Man würde doch denken, Menschen wären dann zufrieden, wenn alle gleich viel hätten – etwa gleich viel Besitz. Nun ist ja die philosophische Frage, ob Gleichheit überhaupt gerecht ist, kein so ganz neuer Hut. Aus der psychologischen Richtung betrachtet dagegen ist die Sache klar: Gleichheit kann neidisch machen. Wie ist das zu erklären?
In einer Welt, in der Unterschiede in den Lebensverhältnissen der Menschen zum Alltag gehören, werden diese Unterschiede ein Stück weit normal. Man gewöhnt sich an die Vorstellung, lernt, damit zu leben und die Unterschiede zu akzeptieren. Gleichheit ist dann gar nicht Teil der Erwartungen. Dass unter ungleichen Bedingungen Neid herrscht, ist selbstverständlich, und er wird um so größer, je größer die Unterschiede sind. Wichtige Begriffe sind dabei Chancengleichheit – man war nicht von vornherein benachteiligt – und Leistungsgerechtigkeit – es gibt eine nachvollziehbare Begründung für die bestehenden Unterschiede.
Anders sieht die Sache aus, wenn Gleichheit zum Prinzip erhoben wird. Je ähnlicher die Lebensumstände, desto mehr leuchten auch Kleinigkeiten hervor, in denen sich einer von den anderen unterscheidet. Der Umstand wird dann wie mit einem seelischen Vergrößerungsglas betrachtet. Das kann um so verzweifelteren Neid hervorrufen und Bestrebungen des Einzelnen, für sich doch wieder nach einem Merkmal der Unterscheidung zu suchen. Aber es führt eben auch zu dem Versuch, die Unterschiede wieder zu nivellieren. Dort zeigt Neid, dass es sich bei ihm um eine zerstörerische Kraft handelt.
Standardisierung ist heute in der Wirtschaft ein wichtiger Faktor, beispielsweise zur Reduktion von Kosten. Jeder den gleichen Schreibtisch, den gleichen Computer, die gleiche Arbeitskleidung, die gleichen Dienstwagen, um nur einige Beispiele zu nennen. Das ist praktisch und aus sachlichen Gründen kaum von der Hand zu weisen. Gleichzeitig lässt sich jedoch beobachten, dass in der Folge überall die kleinen Unterschiede gesucht und gefunden werden. Während vorher völlig ok war, dass jeder eine andere Ausstattung hatte, wird auf einmal der Blick nur noch darauf gelenkt, dass der Kollege irgendetwas „mehr“ oder „anders“ hat, und sei es die Programmversion „Professional“ statt „Standard“. Und das gehört dann gefälligst abgeschafft!!
Wer also auf Standardisierung setzt, kann sich im Vorwege auch mit dem Thema Neid beschäftigen, damit das Mikroklima keinen Schaden nimmt. Wer auf Gleichheit setzt – und sei es nur unter einem bestimmten Aspekt – nimmt dem Neid seinen Stachel, wenn er die dann notwendigen Unterschiede nachvollziehbar macht.